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Color me beautiful – Hautbeschaffenheit und Persönlichkeitseindruck
Methoden und Ergebnisse einer Diplomarbeit von Denise Mönch an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 2003
Zusammenfassung   © PD Dr. Ronald Henss

 

Das Folgende ist eine Zusammenfassung der Methoden und einiger wichtiger Ergebnisse der Diplomarbeit von Denise Mönch, die unter meiner Anleitung an der Universität des Saarlandes durchgeführt wurde. Die Studie konzentriert sich auf die Wirkung der Hautbeschaffenheit auf den Betrachter. Sie kann auch als Simulation der Anwendung von Kosmetik und der Eindruckswirkung des Schminkens interpretiert werden.

Ausgangspunkt war eine Datenbank mit Portraitfotos, die am Psychologischen Institut der Universität des Saarlandes angelegt wurde. Das Stimulusmaterial (Fußnote 1) bestand aus Fotos von Studentinnen, die mit Hilfe des Programms „Face Toolkit“ (Knabe, 2002) manipuliert wurden, um unterschiedliche Varianten des Schminkens zu simulieren.

Zunächst wurde aus den Fotos von 60 Studentinnen ein sogenanntes „Durchschnittsgesicht“ – besser: Komposit-Gesicht – erzeugt. (Fußnote 2) Dieses ist in Abbildung 1 mit „KS“ bezeichnet. Außerdem wurde ein Komposit-Gesicht von 5 Top-Models konstruiert („KM“).

Im aktuellen Kontext ist ein spezieller Aspekt des Kompositbildes von Interesse. Bereits ein flüchtiger Blick auf die Abbildung 1 macht deutlich, dass die Gesichtshaut bei den Komposits viel homogener erscheint als beim Original. Die Durchschnittsbildung hat zur Folge, dass Hautunreinheiten, Unregelmäßigkeiten, Unebenheiten und Falten verschwinden und die Textur ausgewogen und regelmäßig erscheint. In einem gewissen Sinne lässt sich diese Homogenisierung als eine erfolgreiche Anwendung von Foundation interpretieren.



Abbildung 1: Stimulusmaterial aus Mönch (2003)
In der Untersuchung wurden die Bilder ohne die schwarzen Balken präsentiert

Den Homogenisierungseffekt nutzte Mönch, um die Anwendung von Kosmetik zu simulieren. Das „Face Tookit“ bietet mit einem speziellen „Warping“-Modul die Möglichkeit, die Farbinformationen zweier Bilder in beliebigen Proportionen zu mischen, und zwar so, dass die geometrische Gesichtsstruktur nicht verändert wird. Mit Hilfe dieses Moduls wurde jeweils das Originalfoto in Richtung auf ein „Ankerbild“ verändert. Als Anker diente entweder das Komposit der Studentinnen (KS) oder das Komposit der Models (KM). Die Farbmischung erfolgte in zwei Stufen. In Stufe 1 lag das Mischungsverhältnis bei 2/3 Original zu 1/3 Komposit. In Stufe 2 bei 1/3 zu 2/3. (Fußnote 3) Die resultierenden „Schmink-Varianten“ sind in Abbildung 1 1 dargestellt. Die beiden Stufen lassen sich als schwache und starke Homogenisierung des Hautbildes oder als schwach und stark geschminkt interpretieren.

Abbildung 1 macht deutlich, dass das Model-Komposit intensivere Farbtöne aufweist als das Studentinnen-Komposit. Dies gilt sowohl für die Gesichtshaut als auch für die Lippen und die Augen. Dieser Unterschied kann ebenfalls als „stark bzw. schwach geschminkt“ interpretiert werden.

Für ihre Untersuchung zur Eindruckswirkung des „Schminkens“ benutzte Mönch die Fotos von 10 Studentinnen. Da zu jedem Originalbild die Varianten S1, M1, S2 und M2 erzeugt wurden, bestand das Stimulusmaterial aus 50 Bildern.

Die Untersuchung wurde über das Internet durchgeführt. Sie umfasste zwei Experimente, die sich im methodischen Ansatz wesentlich voneinander unterscheiden. Das erste Experiment war als Einzelreizbeurteilung konzipiert. Hierbei hat jede Versuchsperson nur ein einziges Gesicht zu beurteilen. Sie hat also keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. Das zweite Experiment war eine Reizserienbeurteilung. Hier wurden die fünf Varianten ein und derselben Stimulusperson jeweils simultan präsentiert und die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, die Bilder nach einem vorgegebenen Kriterium in eine Rangreihe zu bringen.

Am Einzelreizversuch nahmen 1072 Versuchspersonen teil. Das jeweils per Zufall ausgewählte Gesicht sollte nach 70 Merkmalen beurteilt werden (z.B. attraktiv, gesellig, nervös, wünscht sich viele Kinder, geht manchmal fremd). Die Beurteilungen erfolgten auf einer 5-stufigen Ratingskala (trifft gar nicht zu, trifft eher nicht zu, weder noch, trifft eher zu, trifft völlig zu). Durch die 70 Merkmale sollte der Persönlichkeitsbereich möglichst breit abgedeckt werden. Mit Hilfe einer Faktorenanalyse wurden 7 Faktoren des Persönlichkeitseindrucks ermittelt und wie folgt interpretiert: Attraktivität (attraktiv, gutaussehend, sexuell anziehend), Gute Mutter (gutmütig, gute Mutter, kinderlieb), Erfolg im Beruf (karriereorientiert, Erfolg im Beruf, selbstbewusst), Schweigsamkeit (schweigsam, verschlossen, zurückgezogen), Kreativität (phantasievoll, kreativ, einfallsreich), Lüsternheit (lüstern, sexuell untreu, leichtsinnig), Bürgerlichkeit (bürgerlich, einfältig, unauffällig). Anschließend wurden die Effekte der Bildmanipulation auf die 7 Persönlichkeitsfaktoren analysiert. Erwartungsgemäß zeigte sich ein deutlicher Einfluss auf die Attraktivität. Bei den meisten Stimuluspersonen ergab sich ein kontinuierlicher Anstieg vom Original über S1, M1, S2 zu M2. Das heißt, dass eine stärkere Homogenisierung attraktiver machte und dass die farbintensivere Model-Variante der schlichteren Studentinnen-Variante überlegen war. Ein weiterer, aber erheblich schwächerer Effekt ergab sich bezüglich Kreativität. Überraschenderweise wurden die „stark geschminkten“ Varianten (S2, M2) für weniger kreativ gehalten als das Original. Auf den anderen fünf Faktoren war kein Effekt der Bildmanipulation zu registrieren.

Ein anderes Ergebnis zeigte sich im zweiten Experiment, das in Form einer Reizserienbeurteilung durchgeführt wurde. Hierbei wurden jeweils die 5 Bildvarianten einer Stimulusperson simultan dargeboten und die Versuchperson sollte die Bilder nach einem bestimmten Kriterium in eine Rangreihe bringen. Über verschiedene Versuchspersonenstichproben hinweg wurden folgende Kriterien berücksichtigt: Attraktivität, Gute Mutter, Erfolg im Beruf, Schweigsamkeit, Kreativität (die Zahl der Beurteiler pro Kriterium lag zwischen 33 und 43). Als Stimuluspersonen wurden 6 der 10 Frauen aus dem ersten Experiment berücksichtigt. Die Analyse der Rangreihen erbrachte ein außergewöhnlich klares Muster. Bei fast allen Kriterien und fast allen Stimuluspersonen ergab sich die Rangreihe Original <* S1 <* M1 <* S2 <* M2. (Fußnote 4) Der gemeinsame Nenner lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: (1) Je homogener die Oberflächenbeschaffenheit desto besser, (2) die auffälligere Farbtönung der Models wirkte positiver als die schlichtere Färbung der Studentinnen. Dieses Grundmuster war besonders deutlich bei Attraktivität, Erfolg im Beruf und Gute Mutter. Insbesondere ist hervorzuheben, dass „Schminken“ auch eine positive Beurteilung der mütterlichen Qualitäten bewirkte. Außerdem ist hervorzuheben, dass – im Gegensatz zur Einzelreizbeurteilung – die stärker „geschminkten“ Varianten nun für kreativer gehalten wurden. Plakativ ausgedrückt führte die Reizserienbeurteilung zu der Aussage „Wer geschminkt ist, ist auch gut“. Ein ähnliches Schlagwort spielt in der Attraktivitätsforschung als „Attraktivitätsstereotyp“ eine herausragende Rolle: „Wer schön ist, ist auch gut“ (Dion, Berscheid und Walster, 1972; Henss, 1992, 1998).

Die beiden methodischen Ansätze – Einzelreizbeurteilung und Reizserienbeurteilung – lieferten ein partiell unterschiedliches Bild. Dass die Befunde entscheidend von der Untersuchungsmethode abhängen können, ist aus der Gesichterforschung wohlbekannt (Henss, 1998). Gleichwohl wurde dieser wichtige Aspekt in der bisherigen Forschung zur Eindruckswirkung des Schminkens kaum berücksichtigt.

Insgesamt macht die Arbeit deutlich, dass die Hautbeschaffenheit einen bedeutsamen Einfluss auf die Eindruckswirkung von Gesichtern haben kann. Dies ist nicht zuletzt deshalb von großem Interesse, weil die Hautbeschaffenheit im Rahmen der Attraktivitätsforschung über lange Zeit hinweg eher vernachlässigt wurde. Dort standen bislang eher
gemometrisch-morphologische Strukturmerkmale im Fordergrund (Durchschnittlichkeit, Symmetrie, Proportionen, Längenmaße, Winkel …).


Fußnoten

  1. Als Stimulus (Plural: Stimuli) werden in der psychologischen Fachterminologie ganz allgemein die Reize bezeichnet, auf die die Versuchspersonen reagieren sollen. Die zu beurteilenden Personen werden dementsprechend als „Stimuluspersonen“ bezeichnet.
  2. Ein Komposit-Gesicht repräsentiert den mathematischen Durchschnitt über die zugrunde liegenden Gesichter. Die Konstruktion auf fotomechanischem Wege geht im Wesentlichen auf Galton (1878) zurück. Seit es möglich ist, Komposits mit Hilfe von Computerprogrammen zu konstruieren, wurden diese in der Attraktivitätsforschung intensiv untersucht. Das Durchschnittsgesicht ist in aller Regel attraktiver als die meisten Einzelgesichter. Es stellt jedoch keineswegs das „Maximum“ an Attraktivität dar und die Attraktivität des Komposits hängt ganz entscheidend von den Ausgangsgesichtern ab – wie der Vergleich von KS und KM eindrucksvoll demonstriert.
  3. Die genannten Proportionen gelten strenggenommen nur für die konkrete Stimulusperson, die hier stellvertretend abgebildet ist. Für jede Stimulusperson wurde im Rahmen eines Vorversuchs ein „optimales Mischungsverhältnis“ bestimmt.
  4. (Die Notation X <* Y soll lediglich symbolisieren, dass Y einen höheren Wert aufweist als X. Die Differenz muss jedoch nicht signifikant sein. Lediglich bei "Selbstbewusstsein" fiel der Effekt der Bildmanipulation etwas schwächer aus.

Literatur

  • Dion, K. K., Berscheid, E. & Walster, E. (1972). What is beautiful is good? Journal of Personality and Social Psychology, 24, 285-290.
  • Galton, F. (1878). Composite portraits. Journal of the Anthropological Institute of Great Britain & Ireland, 8, 132-142.
  • Henss, R. (1992). „Spieglein, Spieglein an der Wand…“ Geschlecht, Alter und physische Attraktivität. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
  • Henss, R. (1998). Gesicht und Persönlichkeitseindruck. Göttingen: Hogrefe.
  • Knabe, T. (2002). Face Toolkit. Unveröffentlichte Forschungspraktikums-Arbeit an der Fachrichtung Informatik der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.
  • Mönch, D. (2003). Color me beautiful. Hautbeschaffenheit und Persönlichkeitseindruck. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Fachrichtung Psychologie. Universität des Saarlandes, Saarbrücken.
Alle Rechte beim Autor. Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors.

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Ronald Henss: Social Perceptions of Male Pattern Baldness

Ronald Henss: Social Perceptions of Male Pattern Baldness

Social perceptions of male pattern baldness. A review (Exerpt)

PD Dr. Ronald Henss

In 1967 the British zoologist Desmond Morris published his best-selling book „The Naked Ape“. This title draws special attention to one of the most conspicuous features of human appearance: the relative hairlessness of our bodies. Strictly speaking, we are not really naked. Complete hairlessness is to be found in only a few areas like the lips, the palm of our hands, the soles of the feet, the nipples and some parts of the genitals. The impression of nakedness derives from the fact that on most parts of our bodies our hairs are so fine and short that they are hardly visible, at least from some distance. On the other hand, however, there are some special areas of dense hair that stand in stark contrast to the apparently hairless regions. In fact, it is the characteristic patchy distribution that grabs our attention; and the focus is on those regions that are densely covered with hair, particularly the facial hair in males and the scalp hair in both sexes. From a strictly biological-medical point of view, hair is not a necessary prerequisite to human survival. On the other hand, however, there can be no doubt that hair is extremely important with regard to our social and psychological experiences. Hair is much more than meets the eye; and evidence abounds that humans are and always have been obsessed with hair. Because hair is of utmost importance, so is its loss. The most common form of hair loss is male pattern baldness (androgenetic alopecia) which affects a large part of the male population. Although there can be no doubt that male pattern baldness is of great social and psychological significance, there exists little empirical study on its psychological impact. The present paper tries to review the extant literature with regard to a specific aspect, namely social perceptions of hair loss. This is indeed an important topic: after all, hair loss would be an inconsequential affair if our perceptions of others and ourselves would not be influenced by the amount of cranial hair in the first place. Before turning to our main topic, we briefly look at some socio-cultural aspects of hair in general and hair loss in particular.

The importance of hair, past and present.

Humans are preoccupied with hair – and the lack of it. Our preoccupation with hair gave rise to a multi-billion dollar industry. Moreover, millions of people earn their livings in an occupation devoted to hair care. A significant portion of our daily time budget is allocated to hair care and grooming. For some people, particularly women, this may accumulate to many months or even years. Although hair is certainly more important to females, it is also of great concern to males. For the „stronger sex“ the apprehension of hair loss is the focus of interest. In Caucasians, the most common form of hair loss, male pattern baldness, affects approximately one half of the adult male population. Thus, some degree of hair loss is considered normal in adult males. Recently, a large-scale survey ….

Henss, R. (2001). Social perceptions of male pattern baldness. A review.
Psychosomatics + Dermatology, 2, 63-71.

Alle Rechte beim Autor. Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Psychosomatics + Dermatology.

The complete article is available as an eBook
Ronald Henss: Social Perceptions of Male Pattern Baldness
Ronald Henss
Social Perceptions of Male Pattern Baldness
A Review

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